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Zitat kann auch als Motto verwendet werden - OLG München, Urteil vom 17.09.2009, Az.: 29 U 3271/09

Leitsätzliches

Im Rahmen von Sprachwerken kann ein Zitat auch als Motto verwendet werden, da ein hinreichender Zitatzweck gegeben ist. Dem steht auch nicht entgegen, wenn das Zitat in einem Ausstellungskatalog und nicht ”in” einem selbstständigen Sprachwerk steht.

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 17. September 2009

Aktenzeichen: 29 U 3271/09

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., Richter am Oberlandesgericht ... und Richter am Oberlandesgericht Dr. ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2009

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.05.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Kläger, die … Erben des am 28.04.1976 verstorbenen Lyrikers Eugen Roth, nehmen die Beklagten, die Landeshauptstadt München und eine Verlagsgesellschaft, wegen Urheberrechtsverletzungen im Zusammenhang mit einem Zitat der beiden Anfangszeilen des von Eugen Roth geschaffenen Werks „Auf geht's. Eine oktoberfestliche Moritat“ (Anlage SNP 1) in Anspruch. Diese beiden Zeilen lauten:

„Vom Ernst des Lebens halb verschont

Ist der schon, der in München wohnt,“

Die Kläger haben in erster Instanz beantragt:

I. Die Beklagten werden je verurteilt, ab Urteilsrechtskraft die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe des Buches „Typisch München (ISBN 978-3-938832-34-9) ohne Unkenntlichmachung des Textes „Vom Ernst des Lebens halb verschont“ im vorderen Vorsatz und „ist der schon der in München wohnt“ bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen.

II. Die Erstbeklagte wird verurteilt, ab Urteilsrechtskraft die Verbreitung der Flyer „Typisch München!“, „Typically Munich!“, „Typique Munich!“ und „Tipico di Monaco!“ ohne Unkenntlichmachung der Texte: „Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt.“ bzw. „Half life's worries well take flight if in Munich you reside.“ bzw. “Les choses sérieuses de la vie sont á moitié épargnées à celui qui habite Munich. [sic]“ bzw. “Chiunque abiti a Monaco viene risparmiato per metà dalla severità della vita.“ bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen.

Die Beklagten haben in erster Instanz Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.05.2009 abgewiesen. Auf dieses Urteil, dass in juris und in ZUM 2009, 678 veröffentlicht ist, wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger.

Die Kläger beantragen in der Berufungsinstanz,

unter Aufhebung des am 13.05.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts München I mit Geschäftsnummer 21/618/09:

1. die Beklagten je zu verurteilen, ab Urteilsrechtskraft die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe des Buches „Typisch München (ISBN 978-3-938832-34-9) ohne Unkenntlichmachung des Textes „vom Ernst des Lebens halb verschont“ im vorderen Vorsatz und „ist der schon der in München wohnt“ bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen.

2. die Erstbeklagten zu verurteilen, ab Urteilsrechtskraft die Verbreitung der Flyer „Typisch München!“, „Typically Munich!“, „Typique Munich!“ und „Tipico di Monaco!“ ohne Unkenntlichmachung der Texte: „Vom Ernst des wtrp Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt.“ bzw. „Half life's worries well take flight if in Munich you reside.“ bzw. “Les choses sérieuses de la vie sont á moitié épargnées á celui qui habite Munich.“ [sic] bzw. “Chiunque abiti a Monaco viene risparmiato per metá dalla severità della vita.“ bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen.

Die Beklagten beantragen in der Berufungsinstanz:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2009 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird zunächst Bezug genommen. Zum Berufungsvorbringen ist Folgendes auszuführen:

1. Den Klägern stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht nach § 97 Abs. 1 UrhG zu, weil sich die Beklagten auf die Zitierfreiheit gemäß § 51 UrhG berufen können.

a) Die in die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche der Kläger, die auf Verletzungshandlungen seit dem Jahr 2008 (vgl. Katalog der Ausstellung „Typisch München!“, S. 304) und daraus resultierende Wiederholungsgefahren gestützt sind, besteht nur dann, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten zu den Begehungszeitpunkten den Unterlassungsanspruch begründet hat und dieser auf der Grundlage der derzeit geltenden Rechtslage noch gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2008 – I ZR 207/05, Tz. 14, juris – wtrp). § 51 UrhG ist deshalb im Streitfall in der aktuellen Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 (BGBl. I S. 2513, 2514) anzuwenden, wie dies das Landgericht getan hat.

b) Die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes sind auch auf die vor seinem In-Kraft-Treten geschaffenen Werke anzuwenden, es sei denn, dass sie zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt waren oder dass im Urheberrechtsgesetz sonst etwas anderes bestimmt ist (§ 129 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Die Zeilen „Vom Ernst des Lebens halb verschont Ist der schon, der in München wohnt,“ aus dem Werk „Auf geht's. Eine oktoberfestliche Moritat“ (Anlage SNP 1) von Eugen Roth sind sowohl nach dem geltenden Urheberrechtsgesetz als auch nach dem Vorläufergesetz, dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst (LUG), urheberrechtsschutzfähig, weshalb der genaue Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des genannten Werkes dahinstehen kann. Diese Zeilen sind sowohl als Schriftwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, das eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG darstellt, einzustufen als auch als Schriftwerk im Sinne von § 1 Nr. 1 LUG. Auch kleinste Werkteile können urheberrechtsschutzfähig sein, wenn sie die erforderliche Schöpfungshöhe aufweisen (vgl. BGHZ 28, 234, 237 – Verkehrskinderlied). Die für die Schutzfähigkeit im Streitfall erforderliche individuell-schöpferische Leistung resultiert nicht allein aus dem Reim, sondern insbesondere aus der originellen Formung und Fassung des Gedankens, dass derjenige, der in München wohnt, vom Schicksal begünstigt ist.

c) Ohne Erfolg wenden sich die Kläger dagegen, dass das Landgericht die Verwendung der genannten Zeilen im Katalog der Ausstellung „Typisch München!“ sowie in dem deutschsprachigen Flyer, der auf diese Ausstellung im Münchner Stadtmuseum hinweist, als zulässige Zitate gemäß § 51 UrhG eingestuft hat. Bei Sprachwerken kann das Zitat auch als Motto verwendet werden; in einer solchen Verwendung liegt ein hinreichender Zitatzweck (vgl. KG GRUR-RR 2002, 313, 315 – Das Leben, dieser Augenblick m.w.N.; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 51, Rdn. 31; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 51, Rdn. 15; Götting in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 31, Rdn. 145).

Vergleichbar liegt der Fall hier. Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass die genannten Zeilen von Eugen Roth als Motto für die Ausstellung „Typisch München!“ dienen sollen; zwischen diesen Zeilen und der Ausstellung „Typisch München!“ besteht auch ein enger inhaltlicher Zusammenhang, wie das Landgericht unter Bezugnahme auf die einleitenden Texte von C.U. und H.K. in dem Katalog der Ausstellung „Typisch München!“ herausgearbeitet hat. Das Landgericht hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass zugunsten der Beklagten auch die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) streitet, während auf Seiten der Kläger nur ein geringfügiger Eingriff in deren Urheberrechte in Rede steht, der zu keinen merklichen wirtschaftlichen Nachteilen führt. Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, dass das Zitat im Katalog nicht – wie nach § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG erforderlich – „in“ einem selbständigen Sprachwerk stehe. Selbst wenn dieses Merkmal bei einer buchstabengenauen Auslegung im Streitfall nicht erfüllt sein sollte, steht dies der Anwendung des § 51 UrhG nicht entgegen. Die Regelung des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG ist nicht abschließend (vgl. Dustmann in Fromm/Nordemann aaO § 51, Rdn. 8); bei dieser Bestimmung handelt es sich um ein Regelbeispiel, das die Generalklausel des § 51 Satz 1 UrhG ausfüllt. Die Verwendung der eingangs genannten Zeilen als Ausstellungsmotto ist im Streitfall jedenfalls durch § 51 Satz 1 UrhG gerechtfertigt. Dies gilt auch für den deutschsprachigen Werbeflyer, der auf die Ausstellung „Typisch München!“ hinweist. Der Umstand, dass das Zitat im Katalog in zwei Teile aufgespalten ist – der erste Teil ist im vorderen Vorsatz des Katalogs abgedruckt, der zweiter Teil im hinteren Vorsatz – ändert an der Verwendung als Motto nichts.

d) Ohne Erfolg wenden sich die Kläger des Weiteren dagegen, dass das Landgericht in der Verwendung der streitgegenständlichen Übersetzungen der eingangs genannten Zeilen ins Englische, Französische und Italienische in Werbeflyern, die auf die Ausstellung „Typisch München!“ hinweisen, keinen Verstoß gegen das Änderungsverbot des § 62 UrhG gesehen hat. Nach § 62 Abs. 2 UrhG sind, soweit der Benutzungszweck es erfordert, Übersetzungen zulässig. Im Hinblick darauf, dass, wie unstreitig ist, von Eugen Roth bzw. den Klägern autorisierte Übersetzungen der eingangs genannten Zeilen ins Englische, Französische und Italienische nicht vorlagen, durften die Beklagten eigene Übersetzungen zu Zitatzwecken benutzen (vgl. Dietz in Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., § 62, Rdn. 18). Die Übersetzungen geben den Sinngehalt des Zitats zutreffend wieder. Bei dieser Sach- und Rechtslage führt der Umstand, dass die Übersetzungen ins Französische und Italienische im Vergleich zum deutschsprachigen Original bezüglich Metrik und Reimform keine Entsprechung aufweisen, nicht zu einer derart gravierenden Beeinträchtigung der ideellen Interessen der Kläger, dass dies als Werkentstellung einzustufen wäre.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.).

(Unterschriften)