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Irreführende Firmierung als ehemals kommunales Energieversorgungsunternehmen - Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 22.10.2009, Az. 2 W 92/09

Leitsätzliches

Die Firmierung eines privaten Energieversorgungsunternehmens unter der Abbkürzung eines ehemals kommunalen Anbieters ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil sie bei den betroffenen Verbraucherkreisen den Eindruck erwecken kann, dass das Unternehmen kommunal geführt oder im kommunalen Eigentum steht.

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT BREMEN  

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 2 W 92/09 

Entscheidung vom 22. Oktober 2009

In der Beschwerdesache

...

Antragstellerin und Beschwerdeführerin

gegen

swb AG, vertreten durch ...

Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 22. Oktober 2009
beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 30.09.2009 wird der Beschluss des Landgerichts Bremen – 2. Kammer für Handelssachen – vom 11.09.2009 aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, untersagt, in ihrer Firmierung den Bestandteil „swb“ zu verwenden.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf € 70.000,00 festgesetzt.

Gründe:

I.
Die Antragstellerin, ein privater Anbieter auf dem Gassektor, der seine Produkte nahezu im gesamten Bundesgebiet, darunter auch in Bremen und Bremerhaven, anbietet, hat nach erfolgloser Abmahnung mit Antrag vom 09.09.2009 begehrt, im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin zu verbieten, in ihrer Firmierung den Bestandteil „swb“ zu verwenden. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um ein ebenfalls privates Unternehmen, welches unter anderem die Produkte Erdgas, Trinkwasser und Strom anbietet. Im Jahre 1999 wurden die ehemals kommunalen Stadtwerke Bremen in eine Aktiengesellschaft, die swb AG, umgewandelt und privatisiert. Im Jahr 2000 veräußerte die Freie Hansestadt Bremen ihre Aktienmehrheit von 51 Prozent an ein niederländisches Energieversorgungsunternehmen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Bremen, nachdem die Stadt vorübergehend noch einmal 51 % der Aktien gehalten hatte, nur noch mit einer Aktie am Unternehmen beteiligt.

Die Antragstellerin hat behauptet, die Antragsgegnerin verwende mit ihrer Firmierung „swb“ die Bezeichnung „Stadtwerke“ und suggeriere dadurch den angesprochenen Verkehrskreisen noch immer, dass es sich bei ihr um ein kommunal betriebenes bzw. kommunal geführtes Unternehmen handele. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der damit hergestellte Bezug zu staatlichen Stellen sei eine unberechtigte Autoritätsanmaßung, die den Verkehr in die Irre führe. Damit verhalte sich die Antragsgegnerin unlauter i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Außerdem verstoße sie gegen die §§ 3 Abs. 2 und 3 sowie 4 Nr. 10 UWG.

Das Landgericht Bremen – 2. Kammer für Handelssachen – hat mit Beschluss vom 11.09.2009 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Verwendung der Bezeichnung „swb“ in der Firma der Antragsgegnerin sei nicht irreführend. Sie erwecke insbesondere nicht den Eindruck, das Unternehmen sei als „Stadtwerke“ ein kommunales Unternehmen. Die angesprochenen Verkehrskreise sähen in „swb“ keine Kurzbezeichnung für „Stadtwerke“. Diese Buchstabenfolge erscheine dem Verbraucher, der das Unternehmen der Antragsgegnerin und seine bisherige Firma „Stadtwerke Bremen“ nicht (mehr) kenne, vielmehr unklar; eine konkrete Wortfolge assoziiere er hiermit nicht. Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin bereits seit mehr als zehn Jahren nicht mehr als „Stadtwerke“ firmiere, könne auch nicht angenommen werden, dass ein relevanter Teil des Verkehrs gerade wegen dieser Kenntnis die Buchstabenfolge „swb“ (noch) mit „Stadtwerke“ in Verbindung bringe.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und behauptet, bei dem Kürzel „sw“ handele es sich um eine allgemein und deutschlandweit übliche Abkürzung für den Begriff „Stadtwerke“. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen zur Entscheidung vorgelegt.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft (§ 567 Abs. 1 ZPO) sowie auch form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegt.

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hat Erfolg.

Der Antragstellerin steht die Antragsbefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG zu. Sie ist Mitbewerberin; denn sie bietet wie die Antragsgegnerin Produkte auf dem Sektor der Gasversorgung auch in Bremen und Bremerhaven – mithin auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt – an und steht daher mit dieser in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.

Die Antragstellerin hat einen Verfügungsanspruch nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG glaubhaft gemacht. Ihre Firmenbezeichnung „swb“ ist geeignet, über die geschäftlichen Verhältnisse ihres Unternehmens zu täuschen, indem sie bei den Verbraucherkreisen Fehlvorstellungen von nicht geringer wettbewerblicher Relevanz hervorruft. Zumindest unter den älteren Bevölkerungskreisen in Bremen und Bremerhaven ist die bis zum Jahr 1999 geltende Firmenbezeichnung „Stadtwerke Bremen“ noch weitgehend geläufig. Mit der Firmenumwandlung in „swb“ verband sich für sie die Vorstellung, es handele sich bei dieser Buchstabenfolge um nichts weiter als um eine – kürzende, durch die Verwendung von Kleinbuchstaben modisch gestaltete und dadurch werbewirksame – Umformung des herkömmlichen Begriffs „Stadtwerke Bremen“. Dass das Kürzel „swb“ auch unter diesen Gesichtspunkten gestaltet wurde und nicht als eine „reine Phantasiebezeichnung“ gedacht war, liegt zumindest nahe. Im Übrigen behielt die Freie Hansestadt Bremen in der Anfangszeit dieser neuen Firmenbezeichnung auch noch die Aktienmehrheit an dem nunmehr privatisierten Unternehmen, so dass der kommunale Bezug von daher zumindest gerechtfertigt erscheinen konnte. Nach allem besteht bei der Firmenbezeichnung „swb“ auch nach nunmehr zehn Jahren bei vielen insbesondere älteren Bremern und Bremerhavenern – und damit bei einem nicht unerheblichen Anteil der Gesamtbevölkerung - noch immer die unmittelbare Assoziation mit „Stadtwerke Bremen“. Es kommt demnach nicht einmal darauf an, ob auch sonst, wie die Antragstellerin meint, die Abkürzung „sw“ allgemein und deutschlandweit eine übliche Abkürzung für den Begriff „Stadtwerke“ darstellt und auch so verstanden wird.

Dieses Verständnis, wonach die Firmenbezeichnung „swb“ als Abkürzung für „Stadtwerke Bremen“ steht, impliziert die für sich genommen im Grundsatz zutreffende, im vorliegenden Fall aber falsche Einschätzung, bei „Stadtwerken“ handele es sich um ein kommunales Unternehmen, also um ein Unternehmen, welches von der Stadtgemeinde geführt oder betrieben wird oder das zumindest mehrheitlich im städtischen Eigentum steht. In Wirklichkeit wird das Unternehmen „swb“ jedoch von der Freien Hansestadt Bremen weder geführt noch betrieben, es steht – abgesehen von einer einzigen Aktie – auch nicht im städtischen Eigentum. In diesem Sachverhalt liegt die Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kenntnis darüber, dass der Betrieb „swb“ mittlerweile fast vollständig in private Hände übergegangen ist, allgemein oder auch nur überwiegend in der Bevölkerung durchgesetzt hat. Hierüber wurde und wird zwar in der Presse mitgeteilt. Aber es ist zweifelhaft, ob solche Informationen einen entsprechenden Kenntnisstand verschaffen, zumal da auch in den letzten Jahren die Beteiligungen an dem Unternehmen wiederholt gewechselt haben. Diese nicht unbedeutsamen Fehlvorstellungen sind auch wettbewerbsrechtlich relevant, weil sie geeignet sind, das Marktverhalten zahlenmäßig nicht unbedeutender Bevölkerungskreise in ihrem Entschluss bei der Auswahl des Energieversorgers unter den heute auf diesem Sektor herrschenden Bedingungen des freien Marktes zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2007, 1079, 1081). Insbesondere zahlreiche ältere Menschen – d.h. gerade auch diejenigen, die mit „swb“ noch die Abkürzung für die ehemaligen „Stadtwerke Bremen“ verknüpfen – assoziieren mit einem kommunalen Unternehmen immer noch die Vorstellung besonderer Verlässlichkeit, Seriosität und Bonität. Sie sind daher oftmals eher bereit, sich auf dem häufig als sensibel empfundenen Sektor der Wasser-, Strom- und Gasversorgung eher einem Unternehmen anzuvertrauen, das – in welcher Weise auch immer – ihrer Einschätzung nach in „städtischer Obhut“ steht, als dass sie die Möglichkeit wahrnehmen, Versorgungsverträge mit einem Konkurrenzbetrieb abzuschließen, der für sie eindeutig als ein privates Unternehmen zu erkennen ist.

Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Bei Unterlassungsansprüchen kann eine Verwirkung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, grundsätzlich Vorrang vor den Individualinteressen des Betroffenen hat (Bornkamm in: Hefermehl u.a., UWG, Rn. 2.214 zu § 5 mit Hinw. auf die Rspr.). Ein Ausnahmefall (der etwa dann gegeben wäre, wenn die Geltendmachung des Anspruch nur den Individualinteressen eines Mitbewerbers dient und auf der anderen Seite die Vernichtung eines wertvollen Besitzstandes an einer Individualkennzeichnung droht (vgl. Bornkamm, aaO., Rn. 2.215) ist vorliegend ersichtlich nicht gegeben.

Die Frage, ob, wie die Antragstellerin meint, auch noch weitere Tatbestände des UWG betroffen sind, kann offen bleiben.

Der Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes bedarf es nach § 12 Abs. 2 UWG nicht. Nach dieser Vorschrift besteht vielmehr eine – hier nicht widerlegte – tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)