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LG Frankfurt a.M., Urteil vom 18. April 2001, AZ.: 3/8 O 165/00 - irreführende Grössenangabe

Leitsätzliches

Eine interessante Entscheidung zum Thema "Mogelpackungen": Ist die Füllmenge wesentlich geringer als das Fassungsvermögen eines undurchsichtigen Behälters, kann dadurch beim Verbraucher die irrige Vorstellung erweckt werden, der Behälter enthalte die mögliche größere Füllmenge. Unzulässig ist eine solche Verpackung insbesondere, wenn sie gleichzeitig mit einer falschen Mengenangabe des Inhalts, dem Hinweis "Neu" und mit dem alten Preis angeboten wird.

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 3/8 O 165/00

Entscheidung vom 18. April 2001

 

 

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt,

 

1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,-ersatzweise Ordnungshaft- oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Korrekturflüssigkeit in der Form anzubieten und/oder anbieten zu lassen, dass in einem Korrekturflüssigkeitsbehälter mit einem Fassungsvermögen von 30 ml eine Korrekturflüssigkeitsmenge von 20 ml enthalten ist, wie z. B. bei der Korrekturflüssigkeit "..., Korrekturfluid Weiß, New Nouveau" (Anlage K4);

 

2. an die Klägerin DM 315,65 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 (BGBL I S. 1242) seit dem 22.11.2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 35.000,- vorläufig vollstreckbar.

 

 

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört. Die Beklagte betreibt den Handel mit Büroartikeln; insbesondere ist sie Marktführerin im Verkauf von Korrekturflüssigkeit.

In der Vergangenheit hatte die Beklagte das Produkt "..., Korrekturfluid-Weiß" in einer dafür üblichen weißen, undurchsichtigen Plastikflasche auf dem Markt vertrieben. Dieser Behälter hat ein Fassungsvermögen von 30 ml und war bislang mit 30 ml Korrekturflüssigkeit gefüllt. Neuerdings vertreibt die Beklagte Korrekturflüssigkeit noch in den gleichen 30-ml-Behältern zum gleichen Preis, enthalten sind allerdings nur noch 20 ml Flüssigkeit. Neu ist zudem, dass der bis dato zum Auftragen der Flüssigkeit vorgesehene Pinsel, der innen im Schraubverschluss integriert war, durch einen keilförmigen Schwamm ersetzt wurde. Auf diese Änderungen wird der Verbraucher durch eine Abbildung des Schwamms und den in rot gehaltenen Schriftzug auf dem Etikett "New Nouveau 20 ml" hingewiesen (Anlage K4).

Die übrigen Anbieter von Korrekturflüssigkeit vertreiben seit jeher ihre Produkte in Behältern, die den von der Beklagten verwendeten Behältern im wesentlichen gleichen. Einziger Unterschied zu diesen ist, dass jene ein Fassungsvermögen von 20 ml haben und auch 20 ml Flüssigkeit enthalten (Anlagen K2 und K3).

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte vertreibe eine Mogelpackung am Markt. Es bestehe ein Missverhältnis zwischen dem Fassungsvermögen des Behälters der Beklagten und der tatsächlichen Füllmenge. Dies sei weder technisch notwendig noch sonst ausnahmsweise zulässig.

Damit werde der Verbraucher darüber getäuscht, dass der Behälter der Beklagten 1/3 weniger Inhalt habe, als er erwarten ließe. Außerdem suggeriere der größere Behälter der Beklagten, dass er mehr Flüssigkeit beinhalte, als die anderen Anbieter in ihren kleineren Behältern verkaufen. Der Hinweis "New Nouveau 20 ml" könne darüber nicht hinweghelfen, insbesondere sei dieser im Vergleich zur Irreführung durch die Größenverhältnisse zu klein und unauffällig.

 

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

 

Die Beklagte ist der Auffassung, dass hier keine Täuschung des Verbrauchers vorliege. Denn dieser mache sich zum einen gar keine Gedanken über die Menge von Korrekturflüssigkeit in den üblichen Behältern. Wenn überhaupt gehe er davon aus, dass marktüblich 20 ml Flüssigkeit angeboten würden und so auch die Behälter der Beklagten 20 ml enthielten. Sofern sich der Verbraucher darüber dennoch im Unklaren sei, würden die Hinweise auf den Behältern bzw. den jeweiligen Umverpackungen deutlich Auskunft über die wahre Füllmenge von 20 ml geben.

Ferner behauptet die Beklagte, dass in Anbetracht des stetig zurückgehenden Marktes von Korrekturflüssigkeit regelmäßig nur eine Korrekturflüssigkeit pro Verkaufsgeschäft im Angebot geführt werde. Damit habe der Verbraucher beim konkreten Kauf keine Möglichkeit, die unterschiedlichen Produkte mit einander zu vergleichen. Insoweit könne er auch nicht durch die unterschiedliche Größe der Behälter irrig auf deren unterschiedlichen Inhalt schließen.

Schließlich behauptet die Beklagte, für eine gute Durchmischung der nach neuer Rezeptur hergestellten Korrekturflüssigkeit sei der größere Leerraum in der Flasche technisch notwendig. Alternativen wie eine Mischkugel würden hier keine entsprechend guten Ergebnisse erzielen. Eine Neuentwicklung eines Behälters komme aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin steht zunächst der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Mit Verwendung des streitgegenständlichen Korrekturflüssigkeitsbehälters verstößt die Beklagte gegen § 7 II EichG und §§ 1,3 UWG.

Der Behälter stellt eine unzulässige Gestaltung, sog. Mogelpackung, nach § 7 II EichG dar, weil die Füllmenge nicht dem Fassungsvermögen des Behälters entspricht und dadurch ein unzulässiger Freiraum verbleibt. Hierdurch erweckt die Beklagte beim Verbraucher die irrige Vorstellung, der undurchsichtige Behälter enthalte die mögliche Füllmenge.

Unzulässig sind Freiräume bei undurchsichtigen Fertigpackungen dann, wenn sie 30% und mehr des Füllvolumens ausmachen (vgl. Gestaltungsrichtlinien d. BMWi, zit. in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. II, C 60, S. 35.). Vorliegend fasst der Behälter der Beklagten 30 ml, ist jedoch nur mit 20 ml gefüllt. Das entspricht einem unzulässigen Freiraum von 33%.

Technische oder sonstige Gründe, insbesondere eine vermeintlich bessere Durchmischung des Produkts können vorliegend die Verringerung der Füllmenge nicht rechtfertigen.

Zulässig wäre eine solche erhebliche Verringerung nur dann, wenn sie tatsächlich technisch notwendig wäre, während lediglich technische Bedingtheit nicht ausreichte (vgl. BGH GRUR 1982, 118 ff.).

Die Durchmischung war bereits früher bei gleichem Behälter und größerer Füllmenge gewährleistet. Dass neuerdings bei größerem Freiraum die gleiche Durchmischung wie zuvor, nur mit weniger Schütteln erzielt wird, kann insoweit bestenfalls als eine zweckmäßige Neuerung angesehen werden. Das reicht aber nicht aus, die Verwendung der größeren Behälter bei geringerer Befüllung für zulässig zu erklären.

Selbst wenn man jedoch für die von der Beklagten gewählte Aufmachung eine technische Notwendigkeit sehen wollte, hätte die Beklagte die von der Verpackung ausgehende Irreführungsgefahr auf das mögliche Mindestmaß reduzieren müssen (BGH aaO). Das ist nicht geschehen.

Beim ersten Anblick des Behälters der Beklagten und der Behälter der anderen Anbieter am Markt fällt deutlich der Größenunterschied der Behälter auf. Der Betrachter geht davon aus, dass die größere Flasche auch entsprechend größeren Inhalt hat; dabei kommt es auf die konkreten Mengen nicht an. Der Beklagten mag zuzugeben sein, dass die Verbraucher nicht den konkreten Inhalt eines Fläschchens in ml kennen. Sie haben aber auf den Inhalt bezogene praktische Erfahrungswerte, indem sie zum Beispiel wissen, wie lange der Vorrat einer Flasche hält.

Diesen Erfahrungswert hat insbesondere auch die Beklagte als Marktführerin geprägt, indem sie bislang in dem gleichen Behältnis, das jetzt 20 ml enthält, 30 ml vertrieben hat, so dass es auf die vergleichende Kenntnisnahme der Verbraucher von Wettbewerbsprodukten nicht unbedingt ankommt.

Auch wird die hervorgerufene falsche Vorstellung beim Verbraucher nicht durch den Hinweis auf der Verpackung ausgeräumt.

Nur eine besonders auffällige Füllmengenkennzeichnung kann eine objektive Eignung zur Täuschung des Verbrauchers ausschließen (Erbs/Kohlhaas-Ambs, Strafrechtliche Nebengesetze, E 90, § 7 Rdnr.12). Dabei kommt es allein auf die Gestaltung der Packung selbst an (Zipfel/Rathke, aa0., S. 29), auf die weitere Umverpackung oder Präsentation ist mithin nicht abzustellen.

Bei näherer Betrachtung lässt sich feststellen, dass der Hinweis vorliegend im wesentlichen aus zwei verschiedenen Aussagen besteht. Zum einen wird die große Neuerung, der Korrekturschwamm, ins Bild gerückt. Zum anderen erfolgt ein Hinweis auf die Füllmenge von 20 ml, der mit "New Nouveau" überschrieben ist. Dieser Hinweis ist aber, obwohl farblich rot auf blauem Grund hervorgehoben, in der unteren rechten Ecke des Frontetiketts untergebracht und im Vergleich zu der Abbildung der Schwammneuheit wesentlich unauffälliger. Selbst dem aufmerksamen Verbraucher wird aber durch den Hinweis auf die 20 ml Füllmenge nicht die irrige Vorstellung genommen, der Behälter sei - wie bisher- randvoll gefüllt. Bei dem Zusatz "Neu" erwartet der Verbraucher nämlich entsprechend den ständigen Gepflogenheiten in der Werbung einen wenn auch nur kleinen Vorteil und meint - gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass der Verbraucher die konkrete Füllmenge nicht kennt -, dass die Füllmenge gesteigert wurde, zumal die Beklagte ihre Korrekturflüssigkeit zum gleichen Preis wie zuvor vertreibt. Auch der verständige und informierte Verbraucher rechnet nicht damit, dass ihm in einem vertrauten Gebinde plötzlich statt des gewohnten Inhalts 33% Luft verkauft werden.

Dies kann die Kammer aus eigener Anschauung beurteilen, da ihre Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen.

Im Ergebnis führt dies dazu, den Behälter der Beklagten als eine unzulässige Mogelpackung einzustufen.

Diese Mogelpackung ist im Sinne der §§ 1,3 UWG zur Täuschung im Wettbewerb geeignet. Dabei handelt es sich auch um einen erheblichen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 13 II UWG.

Aufgrund des festgestellten Wettbewerbsverstoßes war die Klägerin zur Abmahnung der Beklagten berechtigt. Der der Höhe nach unstreitige Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin erweist sich unter dem Aspekt der auftragslosen Geschäftsführung als begründet.

 

Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Dem Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen, da die Voraussetzungen des § 712 ZPO nicht dargelegt sind. Es ist nicht zu erkennen, dass die Vollstreckung dieses Urteils der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, zumal die Beklagte nicht gezwungen ist, das Produkt komplett vom Markt zu nehmen; sie muss nämlich nur die Aufmachung der Flasche ändern.

 

 

(Unterschriften)